Die drei Leben der Claudia

Claudia, Pauline, 60 Jahre, Mutter, Frau und Tierheilpraktikerin

Claudia lebte zwar in meinem Heimatort, wir hatten vorher jedoch noch nie Kontakt. Über Facebook waren wir befreundet und so war ich froh über die Zusage zum Interview. 

Das Interview fand am 22.02.2024 in  der Wohnung von Claudia statt. Man spürte gleich, dass hier eine vielseitig interessierte und begabte Frau nicht nur wohnt sondern lebt. 


Die auffällige Hausfarbe, die natürlich eine ganz eigene Bedeutung hat, ist nicht nur Hingucker für die Tierheilpraxis, sondern hat einen ganz eigenen Charme. 

"Das Haus habe ich übrigens selbst gestrichen,  erwähnt Claudia so nebenbei.
Ich bin dann mal drin.

"Ein Haus sagt mehr als tausend Worte. Man muss es erleben, erfühlen und erfüllen." Brigitte Kräußling

 



Mein erstes Leben, das war meine Jugend

Brigitte: Hallo Claudia,  ich bedanke mich erst einmal für deine Teilnahme. Ich wusste gleich, dass du viel zu erzählen hast. Auf deiner Facebookseite konnte ich schon viel über dich lesen und deshalb habe ich mich getraut dich anzusprechen.

 

Claudia: Ich mache gerne mit. Bin gespannt. Wo soll ich denn anfangen?

 

 

Brigitte: Wo drängt es dich denn loszulegen? 

 

Claudia: Genau genommen sollte ich ein Junge werden.

Nach drei Töchtern, wünschte sich mein Vater nun mal

einen Sohn.

Wenn ich heute darüber nachdenke, dann habe ich immer versucht dieses Manko wett zu machen und nach Anerkennung von meinem Papa gestrebt. Ich habe immer wieder versucht mich zu beweisen und zu gefallen. Ich interessierte mich eher für Lötkolben, Schraubendreher und Hammer als für Nadel, Faden und Buntstifte.

Ich verhielt mich wohl eher wie ein Junge und prügelte mich auch a
b und zu auf dem Schulhof mit Jungs. Wovon meine KlassenkameradInnen sicher gerne erzählen. 

Mein technisches Verständnis und meine handwerklichen Fähigkeiten habe ich mir sicher in dieser Zeit

angeeignet.

 

 

 

Keine Angst vor großen Tieren



Rollenverständnisse im Leben

Brigitte: Wie war das so bei euch?

Claudia: Papa kümmerte sich um die Busse und Mama um den Rest  wie, Büro, Kundschaft, Busreisen, Haushalt, Kinder, Garten ect.ect. Sie organisierte also so ziemlich den kompletten Familienbetrieb ,sowohl den wirtschaftlichen als auch den privaten.

 

Papa war der Herr im Hause und Mama diente ihm . Das sah sie selbst so und zwar positiv. Sie hielt ihm den Rücken frei. Ganz freiwillig.

Sie füllte ihre Rolle glänzend aus und Papa seine Rolle.


Das war halt in den 50ern und 60er das Frauenbild schlechthin. Vieles davon habe ich für mein Leben

übernommen und unbewusst weiter geführt.

 

 


Es geht nicht um Sinn, sondern um Spaß im Leben



Claudia: Mein Haus habe ich übrigens auch selbst gestrichen. Die Farbe lila habe ich bewusst gewählt, Sie steht für die oberste Chakren Farbe. 


Brigitte: Warst du so ein Art Ersatzsohn?
Claudia: Nein, ich wollte einfach Anerkennung. Ich wollte gefallen und interessierte mich für vieles was Papa machte. 

 

Ich half ihm auch schon mal  bei Arbeiten an den  Bussen. Oder anderen Arbeiten.

Mama musste als Reisebegleiterin ab und zu mit den Busfahrten mitfahren, dann nahm sie meine

Schwester und mich immer mit.

 

 

Brigitte: Das war sicher spannend.

Claudia: So lernten wir ganz einfach mit Menschen umzugehen. Egal ob Busfahrer oder Fahrgäste, wir

hatten keine Berührungsängste.

 

So sangen wir als Kinder

während den Busfahrten im Bus durchs Mikrofon und machten kleine Aufführungen auf der Bühne bei Faschings- und Nikolausfahrten .  Applaus der Gäste machte mich

eher verlegen, als dass ich ihn genoss.

Mir machte das ja Spaß, ich brauchte keinen Applaus. Dabei lernte ich ganz leicht Beziehungen mit Menschen aufzubauen. Denn Menschen brauche ich in meinem Leben, wie die Luft zum atmen.

 

Es geht nicht um Sinn, sondern um Spaß im Leben



Beruf, unbedingt was mit Menschen

 

Brigitte: Menschen und Medizin? Das scheint sich durch dein leben zu schlängeln?

 

Claudia:

Menschen spielen wohl in meinem Leben schon immer eine wichtige Rolle.

Meine erste Ausbildung war eine Ausbildung zur

Arzthelferin. In der Arztpraxis lernte ich den Beruf

der Pharmareferentin kennen und machte dann in Karlsruhe die entsprechende Ausbildung dazu.

Jetzt kam mir mein leichter Zugang zu Menschen sowie m eine medizinischen Kenntnisse und auch meine Neugier noch zu lernen sehr zugute. 

 

Mein Vater war über meinen angestrebten Berufswechsel gar nicht erfreut, eher wütend. "Man gibt eine Arbeitsstelle  nicht auf, wenn man eine hat." Das war seine Devise. Vielleicht auch der Zeit geschuldet, denn Arbeitsplätze waren rar.

 

Ich wurde Pharmareferentin einen Münsterers Unternehmens. Mein Einsatzgebiete war das Saarland. Ich hatte also Heimrecht und vertrautes Terrain.

Mit einem Hauptschulabschluss und einer Ausbildung als Arzthelferin

und Weiterbildung zur

Pharmareferentin , durfte ich nun Akademiker beraten und Ärzten Produkte empfehlen. Das

erforderte natürlich Fachwissen , eine gute Kommunikation Umgangsformen und auch ein wenig Mut

von meiner Seite.

 

Brigitte: Das war ein großer Sprung. Als Nichtakademikerin Ärzte zu beraten.

Claudia: Irgendwas habe ich da wohl richtig gemacht, denn diese Berufstätigkeit war wirklich

erfolgreich. Ich kannte meine Produkte und viele Hintergründe habe ich mir selbst angeeignet.

 

Naturwissenschaften und somit auch der Mensch war so ein Lieblingsthema von mir.

Es fasziniert mich auch immer wieder

wie die Natur funktioniert. Ganz einfach und ohne sich von

irgendwas beeinflussen zu lassen. Es wird Frühling, die Blätter sprießen, die Früchte reifen und im Herbst fällt das Laub. 

Ich finde es spannend wie alles funktioniert. Die Natur kann uns da viel mit auf 
den Weg geben. Deshalb halte ich mich auch gerne im Freien auf.


Über diese Geschehnisse lässt es sich

auch wunderbar philosophieren. Dem Thema Medizin bin ich treu geblieben.

 

Heute arbeite als Tierheilpraktikerin in meiner eigenen

kleinen Praxis.

 

Ein  Leben braucht schöne Erinnerungen

Claudia: Ein Leben braucht schöne Erinnerungen

Ob ich aus heutiger Sicht etwas anders machen würde?

 

Ich weiß es nicht, letztendlich geht es mir ja gut und ich bin glücklich.

 

Es kann also im Prinzip nichts falsch gewesen sein.

 

Vielleicht hätte ich gerne Medizin und Biochemie studiert, einfach weil ich dieses so spannend und großartig finde, aber ob es mir dann heute besser ginge…?

 

Der schönste Tag in meinem Leben

war glaub ich, als ich das erste Mal erfuhr , dass ich schwanger

war.


Mein zweites Leben als Mutter

Neue Orte und Menschen kennen lernen

Brigitte: Wie ging es dann weiter?

Claudia: Mit 28 Jahren lernte ich meinen Ehemann kennen. Mit ihm zog ich dann nach Schweich an die Mosel.

 

In den folgenden Jahren  bekamen wir drei  wundervolle Kinder und haben eine schöne Zeit miteinander verbracht.
Plötzlich war ich Mutter von drei Kindern. Und es hat Spaß gemacht. 

 

Brigitte: Hast du deinen Job vermisst?


Claudia:  Nein, ich liebte meine Zeit als Mutter.
Mutter sein, das war und ist für mich keine Rolle, sie war für mich ein Fest und alles was ich dabei getan habe, das hat mir Spaß gemacht. Ich habe alles gerne gemacht. Und nichts vermisst. 


Brigitte: Du bist ein sehr familiärer Mensch?


Claudia:  Ja, ich mag das. Auch heute als zweifache Oma,  fühle ich mich der Familie sehr verbunden.

 

Unsere Partnerschaft erforderte einen Umzug aus dem beschaulichen Saarland  in das Trierer Land. Genau genommen nach Schweich an der Mosel. Hier war ich auf einmal ganz auf mich selbst gestellt.

Wo ich vorher Netzwerke aus Familie und Freunden hatte, da war ich jetzt auf einmal mit drei kleinen  Kindern alleine unterwegs. 


Mein Mann arbeitet  viel in seiner Firma und ich hielt ihm den Rücken frei. Aufgeräumtes Haus, gutes Essen, gut erzogene Kinder und keine Spielsachen auf dem Boden. 

(Lachen)

Brigitte: Erkennst du die Muster wieder? 

Claudia. Ja, Ich kümmere mich gerne um Menschen und mache es ihnen schön. 
Das war gar nicht so einfach. Wie schon erwähnt, hatte ich in Schweich aber keine familiäre Hilfe. (Oma, Tante, Freunde ...)

 

Egal ob ich die Wäsche in einer anderen Etage in die Maschine stopfen wollte oder einkaufen ging, ich hatte immer drei Kinder mit dabei.

 

Brigitte: Hattest du gar keine Hilfe?

Claudia:

Als mein Jüngster 2 Jahre alt war nahm ich mir ein Au pair. Das würde ich mir heute wohl schon früher gönnen.

Dennoch hat mich diese Zeit stark gemacht und geprägt.

Ich musste lernen zu organisieren, habe Verantwortung übernommen und mich immer wieder neu

engagiert.

Denn mit den Kindern, da kamen die Herausforderungen.

Ich engagierte mich unter anderem mehrere Jahre ehrenamtlich als Schulelternsprecherin am

Stefan Andres Schulzentrum in Schweich, mit rund 1000 SchülerInnen.

 

Dort konnte ich so einiges mitgestalten. Unter anderem beim Neubau des Schulzentrums, sowie die Errichtung einer FOS.

 

Lachen tue ich sehr oft und gerne. Am meisten mit meiner Schwester und meiner Freundin, aber am allermeisten mit meinen beiden männlichen FreundInnen , das tollste Homoehepaar südwestlich der  Weichsel . (Lachen)

 



Es muss Spaß machen

Brigitte: Das hört sich nach einem engagierten Leben an.

 

Claudia: Ja, aber im Laufe der Zeit lebten wir uns als Paar auseinander und mein Mann zog aus. Bis heute sind wir noch freundschaftlich verbunden.

Brigitte: Trennung ist oft ein sehr emotionales Thema, gerade wenn Kinder involviert sind. Wie hast du das gemeistert?

Claudia:  Da hat mir meine Fähigkeit geholfen, in schwierigen Situationen den Verstand arbeiten zu lassen. Und Emotionen wegschieben zu können. Das, hat uns dann vor tränenreichen Tragödien bewahrt. 

 

Auch hier spiegelt sich einfach wieder, dass ich mich gerne um Menschen kümmere. Lösungen finde und Probleme nicht hochkochen lasse, sondern ich tue was getan werden muss.

Weitere Interessen

Motorradfahren Kawasaki

Kochen und gut essen

Lesen

Physik, Chemie, Naturwissenschaften

Psychologie, Philosophie

 


Ich kümmere mich gerne

 

Brigitte: Wie haben die Kinder die Trennung erlebt?

 Claudia: Die Kinder waren damals gerade mal 6,7 und 8 Jahre alt. Da ich ja nicht genau wusste, wie

ich damit umgehen soll und auch die Kinder vor unbedachten Reaktionen schützen wollte, holte ich

mir umgehend Hilfe bei einem , im gleichen Dorf lebenden, Kinderpsychologen. Mit ihm besprach ich

dann das Vorgehen der Trennung in Bezug auf das Wohl der Kinder. So wurden aus unseren Kindern

lediglich "Scheidungskinder'" und KEINE "Trennungsopfer."

 

Nun lag die Erziehung in meiner Hand.

Nach der Trennung merkte ich, dass es viel einfacher ist  Entscheidungen zu treffen, wenn man alleine ist. Vorher standen immer die Bedürfnisse der Familie vor meinen eigenen. Nun konnte ich freier agieren und schneller handeln. 

 

Brigitte: Wo machte sich das bemerkbar?

 
Claudia: Freunde meiner Kinder 'wohnten ' auch schon mal längere Zeit bei uns, weil es im eigenen Elternhaus Probleme gab. So übernahm ich hier die Rolle einer verständnisvollen  Erwachsenen und bot Raum fürs Durchatmen und als Verbindung zwischen den Kindern und den Eltern. 

 

 Zusammen mit meinen Kindern konnte ich nun auch eine weitere Leidenschaft von mir ausleben

Tiere.

 

So lebten mit uns im Laufe der Jahre

Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Vögel,

Rennmäuse, Farbratten, Chinchillas ect.  zusammen.

Kinder aus dem Ort kamen auch schon mal den „Isseler Zoo" besuchen.

 

Es waren überhaupt immer sehr viele Kinder bei uns zu Besuch



Ich bin mir bewusst

3. Leben Entdeckung der Weiblichkeit

Brigitte:

Du hast gesagt du hättest drei Leben: Das erste Leben war deine Jugend, dann die Mutter und Partnerschaft und dein drittes Leben wäre?

 

Claudia: Ja, ab Anfang vierzig kam eine ganz neue Phase. Ich entdeckte mich als Frau. Besser gesagt die Weiblichkeit.

Brigitte: Also auf mich wirkst du sehr weiblich.

 

Claudia: Danke schön. Danke.

Bis dato schien ich nur in meinen Aufgaben aufzugehen.

Wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich mich nach der Trennung von meinem Mann, neben meiner

‚Rolle' als Mutter nun auch als eigenständige erwachsene Frau suchte.

In meiner Jugend lief ich oft als Modell bei Frisur und Modenschauen. Der Laufsteg machte mir

Spaß. Hier konnte ich in eine ganz andere Rolle schlüpfen. Mit den modischen Kleidern wurde ich zu einer anderen Person zu einer Frau. Aber nur auf der Bühne. Kaum waren die Scheinwerfer aus, fühlte ich mich schon wieder ganz anders.

Im Alltag hätte ich das nie gekonnt.

 

Ich hätte das Gefühl zu schauspielern.

Ich konnte mich nie mit der weiblichen Art in Verbindung bringen.

 

Vorher hatte ich Frauen die hypermodisch waren immer bewundert und war manchmal sogar etwas neidisch. Ohne zu bemerken, dass ich das ja auch könnte.

 

 Da ich mich mit dem Begriff ‚Frau' jedoch noch immer schlecht anfreunden konnte,

da es für mich (leider) irgendwie etwas diskriminierendes beinhaltet , definiere ich mich nun gerne als weiblicher

Mensch.

 

Als meine Kinder dann wegen Studium und eigener

Familiengründung flügge wurden, entschloss ich

mich wieder zurück ins Saarland zu kommen. Das war vor ca 8 Jahren.

 

Auch beruflich wollte ich mein Potential irgendwie nutzen.

 

So machte ich bei der Paracelsus Schule ein Studium zur

Tierheilpraktikerin.

 

Ich kaufte mir in Eppelborn ein schönes Häuschen, welches ich dann mit jeder Menge Frauenpower größtenteils selbst renovierte.

 

Das war nun das erste Mal in meinem Leben, wo ich mir ganz allein gehöre. Und was soll ich sagen, ich genieße es.

 

Meine eigene kleine Praxis, mein kleines Reich , welches ich so einrichten kann, dass es mich empfängt und  ich mich wohl fühle .

Meine  Kinder, Enkelkinder, Familie , Freunde, Tiere,  alle können und dürfen jederzeit zu mir  kommen und sind

herzlich willkommen.

 

Aber wenn ich wieder alleine bin, genieße ich meine Zeit mit mir selbst. 

 

Da ich mich schon immer sehr für Psychologie, Philosophie, Bibelgleichnisse, Buddhismus, Meditation , ho'oponopono (haiwaiianisches Vergebungsritual) usw. interessierte, fand und finde ich, natürlich neben meinen Herzmenschen, auch in schweren Zeiten irgendwie immer einen Anker.

 

Angst vor der Zukunft habe ich somit auch keine.

Ob ich hier in Eppelborn bleibe oder irgendwann wieder zurück nach Schweich gehe, kann ich auch

noch nicht sagen.

 

Wobei Schweich, nicht zuletzt auch wegen der Kinder und Freunde vermutlich schon eher favorisiert wird

 


Mein größtes Ziel


Mein größtes Ziel ist es, irgendwann alt, gesund und glücklich zu sterben.

 

Bis dahin werde ich mit Zuversicht, Optimismus und Engagement , wie Pippi Langstrumpf und die Goldmarie in ‚Frau Holle' .  meinen Weg weiter tanzen.

Was kommt kommt , das weiß  ich nicht. Wenn es da ist, dann werde ich mich darum kümmern. 

 

 

Danke,

liebe Brigitte, dass du auch mein Leben als Beispiel für dein Projekt „ Powerwomen wohnt gleich nebenan“ beachtenswert findest und es hier zeigst.

 

Ich wünsche mir für dich, dass du viele Menschen mit deiner

Arbeit erreichst und helfen kannst.

 

 

 

 Gerne und es hat total viel Spaß gemacht mit dir zu reden!!!!


Danke Claudia Pauline du bist eine wirkliche